Türchen 9
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Marla - Sweetvalentines Night & Day
Kapitel 9
Es war ein heller und sonniger, aber extrem kalter Wintertag. Die Forstwege auf dem Eppesberg waren wegen der starken Schneefälle der letzten Woche für Fahrzeuge aller Art gesperrt worden, sodass das Wäldchen, in das sich der Hund in der Nacht zurückgezogen hatte, auch am Tage nur zu Fuß erreichbar war. Hannes und Jochen fanden bereits nach kurzer Suche ihre nachts im Schnee hinterlassene Fußspur und folgten ihr. „ Auf die Idee, ein Fernglas mitzunehmen, wäre ich wohl gar nicht gekommen“, sagte Jochen, während er es vorsichtig aus dem Rucksack nahm und noch einmal prüfte, ob er den Futterbeutel mit gekochtem Fleisch eingesteckt hatte. „ Ich bin mir auch nicht sicher, ob es uns wirklich weiterhelfen wird“, antwortete Hannes.“ Jens schlug vor, es mitzunehmen, als ich vorhin im Forsthaus anrief und ihm von dem Hund erzählte. Er meinte, es könne uns nützlich werden, wenn wir von den umliegenden Hochsitzen aus nach ihm suchen müssten.“
Da Hannes mit dem für die Region zuständigen Förster, Jens Thorwald, befreundet war, konnte er sich seiner Unterstützung sicher sein. „ Du kannst dir nur wünschen, dass der Hund ein festes Revier bezogen hat und nicht weiter umher gewandert ist“, hatte Jens gesagt. „ Die Jagdpächter in meiner Region werde ich umgehend darüber informieren, dass der Hund unter meinem Schutz steht und nicht abgeschossen werden darf. Sie werden sich an meine Anweisung halten.“ „ und was ist wenn er weiter gewandert ist? Was ist, wenn er durch die angrenzenden Reviere läuft?“, hatte Hannes erschrocken nachgefragt, da er die Jägerschaft dieser Gegend kannte und sich durchaus vorstellen konnte, dass sich jeder einzelne von ihnen mit dem Abschuss eines wildernden Hundes rühmen würde. Jens hatte ihm eindeutig zu verstehen gegeben, dass er da nicht viel machen könne. Aber Hannes wollte sich damit nicht zufrieden geben und hatte ihn eindringlich gebeten, es doch wenigstens zu versuchen. „ Ich werde die Forstverwaltungen in der Nachbarschaft per Fax benachrichtigen und darum bitten, dass sie ebenfalls entsprechende Mitteilungen an die Jagdpächter ausgeben“, hatte er schließlich zugestanden. „ Ob sie es aber machen, kann ich dir nicht versprechen. Du weißt selbst, wie die meisten meiner Kollegen hier sind.“
Hannes und Jochen waren ungefähr fünf Minuten ihrer nächtlichen Spur gefolgt, als sie die alte Eiche, die sich hinter den hohen Fichten versteckte, sehen konnten. Von dem Hund aber war bis zum Horizont nirgendwo ein Lebenszeichen zu erkennen. „ Er ist hier oben bisher noch niemandem aufgefallen, weder Jens, Waldarbeiter noch den Jagdpächtern“, sagte Hannes nachdenklich. Jochen nickte. „ Das muss nicht unweigerlich heißen, dass er..!“ „ Jochen! Sieh mal!“, unterbrach Hannes ihn aufgeregt und zeigte in die entgegengesetzte Richtung. „ Da hinten bewegt sich irgendwas!“
Jochen nahm das Fernglas und suchte eilig das Feld ab. „ Ja, zwei Rehe!“, antwortete er enttäuscht. „ In diese Richtung brauchen wir schon mal nicht mehr marschieren!“, schlussfolgerte er, da die beiden Tiere seelenruhig umher wanderten und sich keineswegs durch den Geruch des Hundes beunruhigt zeigten.“ Wir sollten uns sowieso erst mal auf das Wäldchen konzentrieren“, schlug Hannes vor und zog sich den dicken Wollschal weit ins Gesicht, da der eisige Ostwind seit der Nacht kaum nachgelassen hatte und noch immer über das freie Feld fegte. „ Wenn er wirklich noch hier oben ist, wird er sich vermutlich in den Schutz des Waldes zurückgezogen haben.“
Der Weg erwies sich noch mühsamer als in der Nacht. Der Schnee war mittlerweile durch die eisigen Temperaturen extrem verharscht, sodass das Laufen noch beschwerlicher geworden war. Jochen nahm immer wieder das Fernglas in die Hand und suchte die weiten Felder nach dem silbergrauen Hund ab. Aber nichts deutete auf dessen Anwesenheit hin.
„Mal ehrlich, Hannes, was denkst du wirklich? Wird er sich überhaupt noch hier oben aufhalten? Oder ist er längst über alle Berge?“, fragte Jochen, als sie die alte Eiche erreicht hatten. Hannes zog die Schultern hoch. „ Ich weiß es nicht. Aber ich habe so ein Gefühl, als würden wir ihn finden. Lass uns doch tatsächlich mal von da oben Ausschau halten!“, schlug er vor und zeigte auf einen nahe gelegenen Hochsitz. Jochen nickte und nahm den schweren Futterbeutel aus dem Rucksack.“ Das Gewicht muss ja nicht unbedingt mit da hoch!“, sagte er für sich und legte die Stofftasche neben der Eiche ab. „ Hörst du das?“. Fragte Hannes und meinte die dumpfen Schüsse, die aus der Ferne zu ihnen herüber schallten. „ Die Jäger frönen wieder ihrer Leidenschaft. Ich will gar nicht daran denken, dass unser Wolf durch fremde Reviere streifen könnte.“ Jochen blickte sorgenvoll in die Ferne. „ Wie kann ein Mensch nur Lust am töten haben?“ und sah noch einmal zu den Rehen hinüber, für die das weitentfernte Schussgeräusch offenbar noch keine Gefahr bedeutete. Hannes drehte sich zu Jochen um und sah ihn an. Er zog sich die Mütze tief ins Gesicht und sagte traurig: „ Lea hätte dir jetzt wohl geantwortet: Weil der Mensch keinen Respekt vor andrem Leben hat.“ Jochen nickte wortlos und klopfte ihm tröstend auf die Schulter. Dann stiegen sie gemeinsam auf den vereisten Hochsitz.“ Ich hätte nicht gedacht, dass man von hier oben so eine tolle Übersicht hat“, stellte Jochen fest, während er ohne Unterlass die Felder und den angrenzenden Waldrand mit dem Fernglas absuchte. „ Denkst du, dass es möglich ist, dass ein Hund hier draußen bei diesen Witterungsverhältnissen allein überleben kann?“, fragte er und legte den Feldstecher für einen Moment zur Seite. „ Ich meine, könnte es nicht sein, dass er sich vielleicht sogar von den Menschen zurückgezogen hat?“
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Fortsetzung folgt! |
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