Ventana nº 12
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Jule - Sweetvalentines little Darling
Kapitel 12
Mit einem unguten Gefühl machten sich Hannes und Jochen auch am dritten Adventssonntag wieder auf den Weg zum Eppesberg. Zwei Tage lang war der Wolf nicht erschienen. Es gab nirgendwo auch nur die geringsten Anzeichen dafür, dass er sich noch in der Nähe aufhielt. Nirgendwo ließen sich Spuren im Neuschnee ausmachen, auch das Futter lag unangetastet da. „Ich habe einen Fehler gemacht!“, sagte Hannes, während er schweren Herzens gemeinsam mit Jochen über das Feld stapfte. „ Ich hätte ihm vielleicht doch ein Betäubungsmittel unter das Futter mischen sollen.“ Jochen schüttelte den Kopf. „ Nein Hannes. Auf keinen Fall. Das wäre viel zu riskant gewesen. Du kennst weder sein Gewicht noch seine Konstitution. Du hättest die Dosis schätzen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er trotz des Betäubungsmittels noch hätte flüchten können, wäre zu groß gewesen.“ Hannes wusste, dass Jochen recht hatte. Trotzdem machte er sich Vorwürfe, zu lange abgewartet und überhaupt die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Jens hatte ihm schon vor über einer Woche angeboten, das Betäubungsgewehr einzusetzen. Rigoros hatte er es abgelehnt. „Worauf willst du eigentlich noch warten?“, hatte Jens ihn gefragt. Er hatte ihm darauf keine Antwort gegeben. So lief er seit zwei Wochen bei sibirischer Kälte jeden Nachmittag über dieses eingeschneite Feld, mit dem Erfolg, dass der Hund seit zwei Tagen verschwunden war, und ihm dessen weiteres Schicksal vermutlich den Rest seines eigenen Lebens unbekannt bleiben würde. „ Weißt du, Jochen“, sagte Hannes bedrückt, als die alte Eiche bereits hinter dem Wäldchen sichtbar wurde. „ Ich hatte gehofft, dass wir ihn spätestens Weihnachten bei uns haben würden. Ich will gar nicht darüber nachdenken, dass er in der heiligen Nacht noch immer irgendwo einsam und allein durch die Kälte streift.“ Jochen nickte. „ Noch geben wir nicht auf!“, sagte er, um ihn zu trösten, glaubte aber insgeheim selbst nicht mehr dran den Hund jemals wiederzusehen.
„Nein du hast Recht!“, meinte Hannes ganz plötzlich voller Freude. „ Noch geben wir nicht auf!“ Jochen drehte sich verwundert zu ihm um. Der plötzliche Stimmungswandel seines Freundes überraschte ihn. Er strahlte über das ganze Gesicht. „ Schau mal Jochen, wer da ist!“, sagte er und zeigte in die Nähe der alten Eiche. „ Wolf ist wieder zuhause!“ Jochen traute seinen Augen nicht. Da saß dieser imposante Hund entgegen aller Erwartung nach zwei langen Tagen der Ungewissheit wieder unter der alten Eiche, genau an der Stelle, an der er in der Nacht saß, als sie ihn das erste Mal gesehen hatten.
„ Und sieh dir das an“, sagte Jochen erleichtert und lachte, „ Er beobachte dich schon wieder mit seinen Argusaugen.“ Sie nahmen das Futteraus dem Rucksack und liefen der alten Eiche entschlossen entgegen. „ Sieh mal, was wir dir mitgebracht haben!“, rief Jochen schon aus der Entfernung und warf ein Stück des Fleisches in seine Nähe. Aber wie gehabt beachtete er das Fleisch in ihrer Gegenwart nicht. Hannes zog das in einem Sack mitgebrachte Stroh in einem weiten Radius an dem Hund vorbei in den Unterstand. „ Sag mal, wo warst du denn nur zwei Tage lang?“, fragte er, so als würde er tatsächlich mit einer Antwort rechnen können. Und während er sich in dem Unterstand zu schaffen machte, spürte er wieder diese hellen bernsteinfarbenen Augen, die nicht von ihm abließen. „ Was hast du bloß erlebt, dass du so gar nichts mit uns zu tun haben willst“, fragte er leise und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, um möglichst unbemerkt den Strick mit der vorbereiteten Fangschlaufe aus dem Rucksack ziehen zu können. „ Jochen ich muss es noch einmal versuchen. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich habe schon viel zu lange gewartet. Er wird sein Verhalten nicht ändern! Nicht in absehbarer Zeit.“ Jochen nickte nervös. Endlich kam Hannes zur Besinnung. Es konnte nicht ewig so weiter gehen. Das Verhalten des Hundes war einfach nicht einzuordnen. Man konnte nicht sagen, ob er nun Angst hatte, oder ob er nie auf Menschen worden sozialisiert war, oder was auch immer sein merkwürdiges Verhalten ausmachte. Sicher war nur, dass er sich ihnen nicht freiwillig anschließen würde. „ Bist du davon gelaufen, weil sie dich bestraft haben für etwas, wofür du nichts konntest?“, fing Hannes an, mit dem Wolf zu reden. „ Oder bist du auf und davon, weil du kein Kettenleben führen wolltest? Wie auch immer sie hatten keinen Respekt vor deinen Gefühlen nicht wahr?“ Hannes robbte vorsichtig Zentimeter für Zentimeter in seine Richtung. „ Aber sag mal, fühlst du dich hier draußen nicht furchtbar einsam? Du hast hier doch keine Freunde. Und ehrlich gesagt, stelle ich mir ein Leben bei diesen Temperaturen auch nicht sehr gemütlich vor.“
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Fortsetzung folgt!
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