Ventana nº 17
|
Sina - Sweetvalentines dark chocolate
Kapitel 17
Der Winter hatte den hochgelegen, kleinen Ort fest im Griff. Nur die Dorfstraße, die durch den unteren Teil des Ortes verlief und hinter dem Ortsausgangschild über den Eppesberg zur Tierklink auf den Rosenhof führte, war geräumt worden. Die bergauf verlaufenden, kleineren Nebenstraßen waren wegen der starken Schneefälle nicht mehr befahrbar. Lea fuhr langsam durchs Dorf. Niemand war unterwegs. Selbst der Platz vor dem kleinen Supermarkt, auf dem sonst täglich die Neuigkeiten aus der Nachbarschaft ausgetauscht wurden, war menschenleer. Lea parkte ihren Wagen auf dem Grundstück der ortsansässigen Pension. Erschöpft von der Fahrt, aber auch erleichtert, bei diesen Wetterverhältnissen hier oben angekommen zu sein, stieg sie aus und sah sich um. Ihr Blick wanderte an den Fassaden der kleinen Fachwerkhäuser entlang, die sich schief und krumm wie ein Kunstwerk um den Kirchplatz herum aneinanderreihten. „ Dieses Dörfchen kann so idyllisch sein“, dachte sie und bewunderte die große, geschmückte Tanne, die inmitten der kleinen Häuschen in den Himmel ragte. Lea sah hinüber zur Kirche. Rosalie hatte ihr erzählt, dass Hannes ein Foto des Hundes in den Aushängekasten der Kirche gehängt hatte. Die Leute kamen am Sonntag aus den umliegenden kleinen Dörfern hierher, da es weit und breit das einzige Gotteshaus dieser Gegend war. „ Es könnte doch sein, dass er, traumatisiert von irgendeinem Erlebnis, entlaufen ist“, hatte Hannes anfangs gesagt.“ Vielleicht erkennt ihn ja jemand, und wir finden auf diese Weise den Besitzer.“ Lea zweifelte daran, dass überhaupt jemand das Foto beachtete und diesen Hund eines Blickes würdigte. Hunde waren in dieser Gegend dazu da, die Höfe zu bewachen, und wenn sie dieser Aufgabe nicht nachkamen und auch noch davon liefen, taugten sie in den Augen des Besitzers ohnehin nichts und bedeuteten deswegen auch keinen Verlust. Lea sah auf die Uhr. Es war 12:30 Uhr. Sie hatte noch eine halbe Stunde, bis Jochen ihren Anruf erwartete. Sie zog ihre Mütze tief ins Gesicht und entschied sich, zunächst über den Kirchplatz zu gehen, um sich das Foto in dem Kasten anzusehen. Gleich hinter dem Parkplatz des alten Kruges begegneten ihr zwei Touristen, die ihr freundlich zunickten. „Entschuldigen sie!“ sprach einer der beiden Herren sie ganz unerwartet an. „Können sie mir sagen, ob es hier noch eine weitere Pension gibt? Der alte Krug vermietet zur Zeit keine Zimmer.“ „Was?“, fragte Lea erschrocken. „Wieso vermieten die zur Zeit keine Zimmer?“ „Wegen Umbau!“, erklärte der freundliche Herr kurz und bündig. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wieso hatte Jochen ihr das nicht gesagt. Das hätte er doch wissen müssen. Hier wusste doch immer jeder alles. Sie sah den freundlichen Herren verstört an und schüttelte den Kopf. „Nein es gibt nur die eine Pension hier.“ Die beiden Touristen nickten ihr wieder lächelnd zu und gingen weiter. Lea atmete die kalte Winterluft tief ein und machte sich auf den Weg zur Kirche. Der Gedanke, dass sie nun doch auf dem Rosenhof übernachten musste, gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber ihr blieb keine Alternative. „In diesem Fall müsste Jochen mich bei dem Wetter ja auch nicht abholen“, dachte sie für sich. „Ich muss mein Auto dann ohnehin mitnehmen.“ Sie schüttelte frierend den Kopf. „Nein, es macht keinen Sinn, dass er die anstrengende Fahrt über den Eppesberg bis ins Dorf hinunter auf sich nimmt. Ich werde ihm sagen, dass ich zum Rosenhof komme.“ Auf dem Weg zur Kirche sah Lea immer wieder in die geschmückten, kleinen Stuben, die sich hinter den winzigen Butzenglasscheiben der Fachwerkhäuschen verbargen. Diese heimelige Gemütlichkeit, diese Ruhe und Geborgenheit, die sie über all die Jahr auch auf dem Rosenhof gefunden hatte, fehlten ihr sehr. Sie zog ihren Schal fester und sah zu dem Kreuz hinauf, das neben dem Portal zur Kirche stand. „Ob du Zeit hast, mir zu helfen, den einsamen Hund da oben auf dem Eppesberg einzufangen? Allein werde ich es wohl kaum schaffen.“ Sie lies sich noch einen Moment lang Zeit für ein kurzes Gebet. Dann lief sie weiter, um die Kirche herum, zum Aushängekasten. Und da sah sie ihn. Den Hund, dessen Geschichte sie nun seit zwei Wochen Abend für Abend per Telefon verfolgte. Auf einem Foto, dass der Größe eines DIN-A4-Blattes entsprach. Genau so hatte sie ihn sich vorgestellt. Wie er da saß, neben dieser altern Eiche. Groß und imposant. Sein Fell dicht und silbergrau. Seine Augen bernsteinfarben und leuchtend. Lea starrte auf das Foto. „Hoffentlich hat Jochen mir da nicht zu viel zugetraut!“, dachte sie und suchte in ihrer Tasche nach ihrem Handy, um ihn anzurufen.
„Tierarztpraxis Hannes Petersen, Jochen Matthiesen am Apparat!“, sagte er eilig, und seine Stimme klang aufgeregt und atemlos. „Hallo Jochen, ich bin da! Ich stehe im Dorf vor dem Kasten an der Kirche.“ „Lea! Bin ich froh, dass du heil angekommen bist. – Wir haben ein riesen Problem. Ich kann in der nächsten Stunde hier noch nicht weg. Hannes hat genau um 13:00 Uhr noch eine OP eingeplant.“ Lea nickte. Ein nicht ganz perfekter Plan, wie es schien. Der alte Krug war wegen Umbau geschlossen, und Jochen stand noch im OP, obwohl sie eigentlich noch bei Tageslicht gemeinsam auf dem Eppesberg sein wollten. „Weißt du was, Jochen“, meinte Lea beruhigend, „Ich muss sowieso zu euch kommen. Der alte Krug hat zur Zeit geschlossen. – Ich geh mal davon aus, dass du das nicht gewusst hast, oder?“ „Ne, bestimmt nicht! Das ist mir völlig neu!“, antwortete Jochen überrascht. „Aber ich kann nicht gerade behaupten, dass es mich nicht freut.“ Lea schmunzelte. Er hatte sich nicht verändert. Und sie freute sich insgeheim sehr darauf, ihn wieder zu sehn. „Ja, dann bin ich so ca. in einer halben Stunde, na ja, bei diesem Wetter wohl eher in einer dreiviertel Stunde, bei euch.“ Sie steckte ihr Handy wieder in die Tasche und ging zurück zum Parkplatz.
******
Fortsetzung folgt!
|
|