Casella 6
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Taro - Sweetvalentines Earth, Wind & Fire
Kapitel 6
Hannes nickte. „ Ja, mit dem Hund stimmt irgendetwas nicht. Komm wir gehen zu ihm. Vielleicht ist er verletzt. Möglicherweise steht er unter Schock.“ Entschlossen marschierte er in seine Richtung. Jochen folgte ihm eher zögerlichen Schrittes. „ Hannes!“ rief er ihm hinterher, und seine Stimme kam nur schwer gegen den ohrenbetäubenden Sturm an. „ Er könnte Angst vor dir haben. Wer weiß warum er alleine hier draußen ist. „ Hannes nickte und zeigte mit einer Handbewegung, dass er ihn verstanden hatte. Ein seltsames Gefühl begleitete Hannes auf dem Weg zur Eiche. Er hätte es nicht beschreiben können, aber er konnte es auch nicht leugnen. Je näher er dem Hund kam, desto deutlicher spürte es und desto weniger hätte er es in Worte fassen können. Der Hund beobachtete ihn. Er saß mit aufgestellten Ohren ganz ruhig im Schutz des mächtigen Baumstammes. Er registrierte aufmerksam jede seiner Bewegungen. Aber er zeigte keinerlei Reaktion. Weder in seiner Haltung, noch in seiner Mimik. Hannes ging langsam auf ihn zu. Wenige Meter vor ihm hockte er sich in den Schnee. „ Du siehst ja aus wie ein Wolf“, sagte er leise und bewunderte die imposante Erscheinung. „ Also, um ehrlich zu sein, du machst nicht gerade den Eindruck, als hättest du Angst vor mir. Ich befürchte eher, dass ich Angst vor dir haben könnte.“ Er zog die Schultern andeutungsweise an und nickte dem Hund lächelnd zu. „ Habe ich aber nicht, bilde es dir also erst gar nicht ein.“
Hannes kniete im Schnee und schob sich noch langsam ein paar Zentimeter voran. Der Hund schien auf den ersten Blick keine äußerlichen Verletzungen zu haben. Auch einen Schockzustand schloss Hannes ziemlich sicher aus. Er zeigte weder ein unruhiges hecheln, noch ein Zittern der Gliedmaßen. Ganz im Gegenteil - Er verblüffte eher durch demonstrative Ruhe.
„Ist ja schon ein Ding, dass wir uns hier draußen treffen, nicht wahr? Zu dieser Zeit, an diesem Ort!“, sagte Hannes und spürte etwas merkwürdig Beunruhigendes in sich. Er konnte das ungewöhnliche Verhalten des Hundes überhaupt nicht einschätzen. Wieso saß er da, majestätisch aufgerichtet wie eine Statue? Warum bewegte er sich nicht? Hannes hielt ihm seine Hand entgegen, um ihn neugierig zu machen. Er sprach mit ihm, lockte ihn, wartete und forderte ihn heraus. Aber der Hund verharrte unbeeindruckt in seiner Position. Lediglich seine Augen funkelten Bernsteinfarbig durch die graue Schneeluft und registrierten jede seiner Bewegungen. Hannes schätzte die Entfernung, die noch zwischen ihm und dem Hund lag, auf ungefähr fünf bis sechs Meter. Er musste sich ihm nähern, eine andere Möglichkeit hatte er nicht. „ Was hältst du davon, wenn du mit mir kommst?“ fragte er mit leicht zittriger Stimme und bewegte sich langsam noch einen halben Meter vorwärts. Jetzt wurde der Hund unruhig. Mit einem dumpfen Brummen gab er Hannes zu verstehen, dass er die von ihm geduldete Distanz überschritten hatte. Hannes kniete im Schnee und rührte sich nicht von der Stelle. „ Ist okay, ich bleib wo ich bin!“, redete er beruhigend auf ihn ein. „ Du brauchst keine Angst zu haben.“ Der Hund fixierte ihn, unnachgiebig und starr. Hannes wartete. Diese Nacht war so unwirklich, dass ihn nichts mehr überraschen konnte: In einem der schlimmsten Schneetreiben aller Zeiten, macht er sich auf den Weg zu einem der höchst gelegen Höfe Nordhessens, um letztendlich erfahren zu müssen, dass niemand ihn gerufen hat und kein Mensch ihn erwartet. Auf dem Rückweg bleibt der Jeep stecken, natürlich im Funkloch des Berges, so dass er nicht einmal einen Abschleppdienst rufen kann. Und jetzt hockt er mitten in der Nacht bei sibirischen Wetterverhältnissen in Einsamkeit des Winters vor einem Hund, der eher einer Erscheinung gleicht, als einem real existierenden Lebewesen.
Hannes schüttelte sich vor Kälte. „ Na was ist?“, fragte er nach einer Weile liebevoll. „ Hast du dich mittlerweile ein bisschen an mich gewöhnt?“ Der Hund starrte Hannes unaufhörlich an. „ Okay, mein schöner Wolf,!“, sagte er und versuchte sich von dem durchdringenden Blick des Tieres nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „ Zufälle gibt es nicht, hab ich Recht?“ Es wird seinen Grund haben warum wir uns getroffen haben.“ Er wickelte behutsam seinen Schal ab, ohne den Hund dabei aus den Augen zu lassen. „ Wenn du mich nah genug an dich heran lassen würdest, müsste es funktionieren.“ Er robbte sich auf den Knien langsam voran. „ du bist ein außergewöhnlich schöner Hund!“, redete er mit sanfter Stimme auf ihn ein und schob sich Stück für Stück langsam weiter in seine Richtung. „ Aus der Ferne sahst du aus wie ein Wolf.- Gut, dass wir hier keine Wölfe haben, was? Sonst wären wir vielleicht einfach an dir vorbeigelaufen.“ Der Hund wurde nervös. Mit angelegten Ohren und krauser Nase signalisierte er Hannes, dass er den Bogen nicht überspannen sollte.
„ Keine Angst, mein Guter, ich will dir helfen. Du kannst doch nicht allein hier draußen leben. Was denkst du wohl, warum der liebe Gott hierher geschickt hat? Bestimmt nicht, weil ich eine Schneewanderung machen sollte.“ Er nahm den Schal und versuchte mit seinen blaugefrorenen Händen so gut er konnte eine Schlaufe zu knoten, die er den Hund um den Hals legen wollte, und schob sich noch einmal wenige Zentimeter in seine Richtung. Dabei hatte Hannes den Bogen eindeutig überspannt. Wie vom Blitz getroffen sprang der Hund auf, drehte sich um und verschwand wie ein Pfeil im Dickicht des Fichtenwaldes. Hannes hockte im Schnee, ließ die Hände sinken und sah ihm resigniert nach. „ Komm Hannes, es nutzt nichts!“ rief Jochen, „ bevor die Sonne nicht aufgegangen ist, finden wir ihn ohnehin nicht wieder. „ Er stand in der Nähe eines abgerissenen Hochsitzes und zeigte auf einen Stapel eingeschneiter, alter Bretter. „ Die müssten reichen, um den Jeep wieder auf die Straße zu befördern. „ Hannes nickte und machte sich gemeinsam mit Jochen auf den Rückweg.
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Fortsetzung folgt!
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