Window nº 14
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Nelly - Sweetvalentines mon amour
Kapitel 14
„Sag mal Rosalie, verstehst du eigentlich, warum die beiden sich das antun?“, fragte Jochen am Abend des dritten Advents. Rosalie lag mit Juli und Kater Mugli auf der Couch und sah sich alte Fotos an. „Wen meinst du, Jochen?“, fragte sie beiläufig. Jochen stand auf und setzte sich zu ihr auf den Rand des Sofas. „Wen mein ich wohl? Hannes und Lea natürlich!“ Rosalie sah Jochen nachdenklich an. Sie hatte sich diese Frage schon oft gestellt. Und sie hatte auch mit Lea schon oft darüber geredet. „Rosalie“, hatte Lea noch vor wenigen Tagen traurig am Telefon gesagt, „Ich bete jeden Abend zum Himmel, dass es aufhört. Du kannst dir nicht vorstellen, wie weh es tut und wie viel Leere es hinterlässt.“ Und nach jedem Gespräch hatte sie Rosalie darum gebeten, Jochen davon nichts zu erzählen. „Ich möchte es Hannes nicht schwerer machen, als es ohnehin für ihn ist“, hatte sie jedes Mal gesagt. „Und was du Jochen erzählt, wird auch Hannes erfahren. Sie sind Freunde.“ Rosalie wollte Jochen nicht anlügen müssen und versuchte, das Thema umzulenken. „Schau mal hier, Jochen!“, sagte sie lächelnd und zeigte auf eines der Fotos. „Unsere Juli, ein paar Wochen, nachdem du sie aus dem Labor befreit hast. Wie furchtbar ängstlich sie da noch aussieht!“ Jochen streichelte seiner kleinen Beagledamen über den Kopf. „Davon ist nichtmehr viel übrig, nicht wahr Juli?“ Rosalie lachte und blätterte weiter. „Sie mal hier, wie schick ihr seid, Lea und du, in eurer dunklen Uniform!“ Jochen nahm Rosalie das Album aus der Hand und starrte gedankenverloren auf das Foto. „Meine Güte, wie lang ist das her?“, fragte er, während Juli versuchte, den Platz auf seinem Schoß zu erobern. „Damals war dein Herrchen noch ein richtiger Aktivist und ließ sich durch nichts aufhalten. Und Lea war so zu sagen meine rechte Hand. Ohne sie gäbe es auch uns drei hier jetzt nicht.“ Er legte das Album zur Seite und nahm Rosalie liebevoll in den Arm. „Und dann, Juli, trat diese Frau in mein Leben“, flüsterte er, „Und zog ohne zu zögern die Notbremse!“ Rosalie befreite sich empört aus seiner Umarmung. „Oh nein, mein Lieber, ganz so lass ich das jetzt aber nicht stehen“, verteidigte sich vehement. „Es war ja wohl eher so, dass deine Herzrhythmusstörungen dich zu einer Vollbremsung gezwungen haben.“ Jochen lächelte. „Ja, schon gut“, sagte er beruhigend und strich ihr liebevoll mit dem Finger über die Nase. „Ich bin glücklich, so wie es ist. Ich würde mein Leben hier auf dem Rosenhof für nichts auf der Welt mehr eintauschen wollen.“ Es war bereits früh am Morgen, als Rosalie in Jochens Arm erwachte. Seit dem sie zusammen waren, gab es keine Geheimnisse zwischen ihnen. Rosalie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie Jochen nichts von ihrem fast täglichen Kontakt zu Lea erzählt hatte. Aber was hätte sie tun sollen? Lea war ihre beste Freundin und sie hatte es ihr nun einmal versprochen. Rosalie sah durch das kleine Fenster in den dunklen Himmel. Sie erinnerte sich daran, als Lea vor vielen Jahren mit ihrem Mann hier her ins Haus ihrer Schwiegermutter gezogen war. „Fast ein Jahr hat sie es in diesem Haus im Dorf ausgehalten!“, dachte Rosalie und musste schmunzeln. „Und als sie wegging, gab es im Dorf keinen einzigen Kettenhund mehr!“ Rosalie lachte leise für sich. „Eine Schwiegertochter wie Lea hatte den ehrenwerten Leuten gerade noch gefehlt. Aber sie hat sich nicht verbiegen lassen.“ Rosalie dachte an den Tag, als Lea mit Melodie, einer kleinen, blinden Kettenhündin auf den Hof kam, um sie von Hannes untersuchen zu lassen. Damals sahen die beiden sich zum ersten Mal.“ Was eine einzige Minute doch für einen Einfluss haben kann!“, strich es durch ihre Gedanken. „Sie gaben sich die Hand und ließen nie wieder von einander los!“
Bald war der vierte Advent. Seit langer Zeit wurde er auf dem Rosenhof traditionell gefeiert. Lea schmückte immer den Baum und bereitete die Stube drüben bei Hannes vor, und Rosalie war für das Essen zuständig. Jeder hatte für jeden ein kleines Geschenk. Am Abend gingen sie alle gemeinsam in den Stall, den Hannes und Jochen immer hergerichtet hatten, um auch mit den Pferden, dem Esel und den Ziegen zusammen sein zu können. Wie würde der vierte Advent in diesem Jahr aussehen? Der Gedanke an all die Veränderungen machte Rosalie traurig. „Schläfst du noch?“, fragte Jochen leise, obwohl er längst bemerkt hatte, dass sie seit einer ganzen Weile gedankenverloren vor sich hin träumte. Rosalie schüttelte den Kopf. „Ich bin schon eine Zeit lang wach!“, antwortete sie und schmiegte sich eng an ihn. Jochen drehte seinen Kopf zu ihr und sah sie nachdenklich an. „Was ist los?“, fragte Rosalie. „Worüber grübelst du nach?“ Jochen antwortete ihr nicht. „Hast du schlecht geträumt?“, lies Rosalie nicht locker. Er entzog sich ihrem Arm und stand auf. „Rosalie, hast du Lea schon von dem Hund auf dem Eppesberg erzählt?“ Rosalie sah Jochen verwirrt an. „Bitte, Rosalie, es geht jetzt nicht darum, was du mir erzählt hast und was ich weiß oder auch nicht weiß. Jetzt geht es um ein Leben. Also – Hast du ihr schon von ihm erzählt?“ Rosalie nickte. „Ja hab ich“, sagte sie beschämt. Jochen sah sie wartend an. „Was hast du ihr erzählt?“ „Also, um ehrlich zu sein“, antwortete sie zögerlich, „ich habe ihr jeden Tag von dem aktuellen Stand berichtet. Nur gestern nicht. Gestern haben wir nicht telefoniert.“ Jochen strahlte. „Sie kennt also den gesamten Ablauf!“, stellte er noch einmal zufrieden für sich fest. „Du bist ein Schatz, Rosalie!“, Rief er und griff eilig zum Telefon. „Rosalie!“, sagte er ohne lange Erklärung und hielt ihr den Hörer entgegen. „Sie muss kommen. Der Hund hat vermutlich eine Schussverletzung. Er blutet stark am Hinterlauf oder an der Pfote. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wenn es einer schafft, an ihn heranzukommen, dann Lea.“ Rosalie zog die Stirn in Falte und verstand in diesem Moment überhaupt nichts mehr. „Also Jochen, vielleicht erklärst du mir erst mal, was passiert ist! Ich rufe doch nicht um 5:30 Uhr bei Lea an und sage ihr, dass sie sofort kommen muss, ich aber eigentlich gar nicht weiß, warum.“ Sie schob das Telefon beiseite und schüttelte den Kopf. „Außerdem kannst du dir wohl auch denken, dass sie nicht kommen wird, egal, was passiert ist! Und mal ehrlich, Berlin liegt auch nicht gerade direkt ums Eck. Wie stellst du dir das vor?“ Jochen sah Rosalie eine Weile überlegend an. „Erinnerst du dich an das Foto, dass du mir gestern Abend von Lea gezeigt hast? Ich meine das mit den beiden befreiten Hunden.“ Rosalie nickte. „Lea und ich haben unsere eigene Sicherheit für das Leben dieser Hunde eingesetzt. Ihr wird nichts wichtiger sein als ein Leben, das ihre Hilfe braucht. Sie wird kommen!“ Rosalie stand kommentarlos auf und ging in die Küche. „Warum rufst du Lea nicht selbst an?“, rief sie nach einer Weile durch den Flur. Jochen zog die Augenbrauchen hoch und seufzte. Die Frage hatte er erwartet und er empfand sie sogar als durchaus berechtigt. Aber nachdem Hannes seinen Vorschlag, Lea anzurufen, am Tag zuvor entschlossen zurückgewiesen hatte, befürchtete er, dass er ihm eine Eigeninitiative übel nehmen würde. „Du kannst dir sicher vorstellen, wie Hannes mir das auslegen würde, wenn ich hinter seinem Rücken Lea bitte, hier her zu kommen“, rief Jochen in die Küche. „Ich kann ihn jetzt schon höre, wie der mir einen Vortrag über Vertrauensbruch hält.“ Rosalie kam mit zwei gefüllten Kaffeetassen zurück und setzte sich zu Jochen auf die Bettkante. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie ihn an. „Ich werde sie anrufen, vorausgesetzt du erzählst mir endlich mal, was gestern passiert ist. Aber ich werde sie nicht überreden. Wenn sie nicht kommen will, wirst du es akzeptieren müssen!“
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Fortsetzung folgt! |
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