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15 Janvier 2025
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Fenêtre 15

15 Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine Zeit der Wünsche. Kinder schreiben ihre Wünsche in der Vorweihnachtszeit auf Wunschzettel und hoffen, dass sie an Heiligabend erfüllt werden. Zu Weihnachten dann verschicken wir Karten mit guten Wünschen und wünschen uns gegenseitig ein frohes Weihnachtsfest. So begleiten uns die Wünsche durch die Advents- und Weihnachtszeit.
Im „Märchen vom Glück“ von Erich Kästner geht es um das Wünschen:

Das Märchen vom Glück von Erich Kästner

Siebzig war er gut und gern, der alte Mann, der mir in der verräucherten Kneipe gegenüber saß. Sein Schopf sah aus, als habe es darauf geschneit, und die Augen blitzten wie eine blank gefegte Eisbahn. „Oh, sind die Menschen dumm“, sagte er und schüttelte den Kopf, dass ich dachte, gleich müssten Schneeflocken aus seinem Haar aufwirbeln. „Das Glück ist ja schließlich keine Wurst, von der man sich täglich seine Scheibe herunterschneiden kann!“ „Stimmt“, meinte ich, „Obwohl …“ „Obwohl!?“ „Obwohl gerade Sie aussehen, als seien sie glücklich.“ „Ich bin eine Ausnahme“, sagte er und trank einen Schluck. „Ich bin die Ausnahme. Ich bin nämlich der Mann, der einen Wunsch frei hat.“ Er blickte mir prüfend ins Gesicht, und dann er zählte er seine Geschichte. „Das ist lange her“, begann er und stützte den Kopf in beide Hände, „Sehr lange. Vierzig Jahre. Ich war noch jung und litt am Leben wie an einer geschwollenen Backe. Da setzte sich, als ich eines Mittags verbittert auf einer grünen Parkbank hockte, ein alter Mann neben mich und sagte beiläufig: ‚Also gut. Wir haben es uns überlegt. Du hast drei Wünsche frei.‘ Ich starrte in meine Zeitung und tat, als hätte ich nichts gehört. ‚Wünsch dir, was du willst‘, fuhr er fort, ‚die schönste Frau oder das meiste Geld oder den größten Schnurrbart, das ist deine Sache. Aber werde endlich glücklich! Deine Unzufriedenheit geht uns auf die Nerven.‘ Er sah aus wie der Weihnachtsmann in Zivil. Weißer Vollbart, rote Apfelbäckchen, Augenbrauen wie aus Christbaumwatte. Gar nichts Verrücktes. Vielleicht ein bisschen zu gutmütig. Nachdem ich ihn eingehend betrachtet hatte, starrte ich wieder in meine Zeitung. ‚Obwohl es uns nichts angeht, was du mit deinen drei Wünschen machst‘, sagte er ‚wäre es natürlich kein Fehler, wenn du dir die Angelegenheit vorher genau überlegtest. Denn drei Wünsche sind nicht vier Wünsche oder fünf, sondern drei. Und wenn du hinterher noch immer neidisch und unglücklich wärst, könnten wir dir und uns nicht mehr helfen.‘ Ich weiß nicht, ob Sie sich in meine Lage versetzen können. Ich saß auf einer Bank und haderte mit Gott und der Welt. In der Ferne klingelten die Straßenbahnen. Und neben mir saß nun dieser alte Quatschkopf!“ „Sie wurden wütend?“ „Ich wurde wütend. Mir war zumute wie einem Kessel kurz vorm Zerplatzen. Und als er sein weiß wattiertes Großvatermündchen von neuem aufmachen wollte, stieß ich zornzitternd hervor: Damit Sie alter Esel mich nicht länger duzen, nehme ich mir die Freiheit, meinen ersten und innigsten Wunsch auszusprechen: Scheren Sie sich zum Teufel!‘ Das war nicht fein und höflich, aber ich konnte einfach nicht anders. Es hätte mich sonst zerrissen.“ „Und?“ „Was, und?“ „War er weg?“ „Ach so! Natürlich war er weg! Wie fortgeweht. In der gleichen Sekunde. In nichts aufgelöst. Ich guckte sogar unter die Bank. Aber dort war er auch nicht. Mir wurde ganz übel vor lauter Schreck. Die Sache mit den Wünschen schien zu stimmen! Und der erste Wunsch hatte sich bereits erfüllt! Du meine Güte! Und wenn er sich erfüllt hatte, dann war der gute, liebe, brave Großpapa, wer er nun auch sein mochte, nicht nur weg, nicht nur von meiner Bank verschwunden, nein, dann war er beim Teufel! Dann war er in der Hölle. ‚Sei nicht albern‘, sagte ich zu mir selber. ‚Die Hölle gibt es ja gar nicht, und den Teufel auch nicht.‘ Aber die drei Wünsche, gab's denn die? Und trotzdem war der alte Mann, kaum hatte ich's gewünscht, verschwunden … Mir wurde heiß und kalt. Mir schlotterten die Knie. Was sollte ich machen? Der alte Mann musste wieder her, ob's nun eine Hölle gab oder nicht. Das war ich ihm schuldig. Ich musste meinen zweiten Wunsch dransetzen, den zweiten von dreien, o ich Ochse! Oder sollte ich ihn lassen, wo er war? Mit seinen hübschen, roten Apfelbäckchen? Mir blieb keine Wahl. Ich schloss die Augen und flüsterte ängstlich: ‚Ich wünsche mir, dass der alte Mann wieder neben mir sitzt!‘ Wissen Sie, ich habe mir jahrelang, bis in den Traum hinein, die bittersten Vorwürfe gemacht, dass ich den zweiten Wunsch auf diese Weise verschleudert habe, doch ich sah damals keinen Ausweg. Es gab ja keinen.“ „Und?“ „Was‚ und?“ „War er wieder da?“ „Ach so! Natürlich war er wieder da! In der nächsten Sekunde. Er saß wieder neben mir, als wäre er nie fortgewünscht gewesen. Er blickte mich vorwurfsvoll an und sagte gekränkt: ‚Hören Sie, junger Mann, fein war das nicht von Ihnen!‘ Ich stotterte eine Entschuldigung. Wie Leid es mir täte. Ich hätte doch nicht an die drei Wünsche geglaubt. Und außerdem hätte ich immerhin versucht, den Schaden wieder gutzumachen. ‚Das ist richtig‘, meinte er. ‚Es wurde aber auch höchste Zeit.‘ Dann lächelte er. Er lächelte so freundlich, dass mir fast die Tränen kamen. ,Nun haben Sie nur noch einen Wunsch frei‘, sagte er. ‚Den dritten. Mit ihm gehen Sie hoffentlich ein bisschen vorsichtiger um. Versprechen Sie mir das?‘ Ich nickte und schluckte. ‚Ja‘, antwortete ich dann, ‚aber nur, wenn Sie mich wieder duzen.‘ Da musste er lachen. ‚Gut, mein Junge‘, sagte er und gab mir die Hand. ‚Leb wohl. Sei nicht allzu unglücklich. Und gib auf deinen letzten Wunsch acht.‘ ‚Ich verspreche es Ihnen‘, erwiderte ich feierlich. Doch er war schon weg. Wie fortgeblasen.“ „Und?“ „Was‚ und?“ „Seitdem sind Sie glücklich?“ „Ach so. Glücklich?“ Mein Nachbar stand auf, nahm Hut und Mantel vom Garderobenhaken, sah mich mit seinen blitzblanken Augen an und sagte: „Den letzten Wunsch hab' ich vierzig Jahre lang nicht angerührt. Manchmal war ich nahe daran. Aber nein. Wünsche sind nur gut, solange man sie noch vor sich hat. Leben Sie wohl.“ Ich sah vom Fenster aus, wie er über die Straße ging. Die Schneeflocken umtanzten ihn. Und er hatte ganz vergessen, mir zu sagen, ob wenigstens er glücklich sei. Oder hatte er mir absichtlich nicht geantwortet? Das ist natürlich auch möglich.


(http://www.erichkaestnerschule-idstein.de/images/Das_M%C3%A4rchen_vom_Gl%C3%BCck.pdf)


Das Märchen von Erich Kästner macht deutlich, dass Wünsche unser Leben reich machen. Oft sind wir gar nicht glücklich, wenn wir alles besitzen, sondern dann, wenn wir Wünsche, Träume und Sehnsüchte haben. Wünsche, die nicht gleich in Erfüllung gehen, bereichern unser Leben in besonderer Weise, weil sie uns in unserem Alltag begleiten und uns immer wieder Hoffnung schenken.

Im Märchen sprechen die beiden Männer über ihre Wünsche. Wir möchten dich einladen, dir einen Mitmenschen zu suchen und mit ihm/ihr über eure Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte ins Gespräch zu kommen. Wenn du möchtest, kannst du der Person dieses Märchen auch vorlesen.

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