FenĂȘtre 19
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David und die Weihnachtsgeschichte
David, das ist der Name des Hirtenknaben aus der Bibel, der den Riesen Goliath mit seiner Steinschleuder besiegte und spĂ€ter König wurde. Und David heiĂt der kleine Junge, von dem wir euch erzĂ€hlen wollen:
David war ein fröhlicher kleiner Junge mit braunen Augen, die wie zwei Diamanten funkelten.
Und obgleich er wie David, der Hirtenknabe, tapfer war und sich zu wehren wusste, hatte er doch ein warmes Herz. Er half Menschen und Tieren, wo er konnte. Als er in die Schule kam, gefiel ihm zuerst das Stillsitzen nicht sehr, und er machte mit seinen Sandalen kleine klappernde GerĂ€usche, so, als liefe er ĂŒber Stock und Stein. Der Lehrer, der ihn gern mochte, lieĂ ihn gewĂ€hren, er hatte als kleiner Junge genau dasselbe GerĂ€usch mit seinen Sandalen probiert.
Als Weihnachten nĂ€her und nĂ€her rĂŒckte, baten die Kinder ihren Lehrer um ein WeihnachtsstĂŒck, das sie bei der Weihnachtsfeier spielen wollten.
âWarum nicht?â sagte der Lehrer. âWie wĂ€r's mit der Weihnachtsgeschichte? Sie ist doch die schönste von allen Geschichten, und ihr kennt sie ja jetzt schon auswendig.â
Da umtanzten die Kinder ihren Lehrer vor Freude, und dann stĂŒrzten sie nach Hause, und es war keine Kleinigkeit fĂŒr sie, das Geheimnis zu bewahren. Denn ein Geheimnis sollte es bleiben bis zum Abend der AuffĂŒhrung, das hatten sie dem Lehrer versprochen.
NatĂŒrlich ist es gar nicht so einfach, in einem kleinen Dorf, in dem jeder den anderen kennt, ein Geheimnis zu bewahren. So sehr vertrauten die Dorfbewohner einander, dass sie sogar nachts nicht einmal die HaustĂŒren abschlossen. Und wirklich, trotz der unverschlossenen HaustĂŒren geschah nie etwas Böses. Aber ich muss schon sagen, es war ein ganz besonderes Dorf, und wenn ihr dort nicht wohnt, nehmt doch lieber den SchlĂŒssel und schlieĂt eure TĂŒren ab!
Als es an das Verteilen der Rollen ging, da wollten natĂŒrlich alle Maria und Joseph spielen, manche auch die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland oder die Hirten, die plötzlich den neuen, funkelnden Stern am Himmel entdeckten.
âDu bekommst die Rolle eines Herbergsvaters, der Maria und Joseph von seiner TĂŒr weistâ, sagte der Lehrer zu David. âDu bist groĂ fĂŒr dein Alter und wirst es schon recht machen.â David erschrak, wie sollte er einen Herbergsvater spielen, der Maria und Joseph fortjagte, es war die allerletzte Rolle, die er spielen wollte. Aber er war zu schĂŒchtern, um den Lehrer um eine andere Rolle zu bitten, und schlieĂlich war er, David, wirklich einer der gröĂten der Klasse. So fĂŒgte er sich, wohl oder ĂŒbel.
Dann begannen die Proben, und es war gar nicht so leicht, in das Gewand und Leben derjenigen zu schlĂŒpfen, deren Geschichte die Kinder so oft gehört, deren Bilder sie so viele Male in der Bibel betrachtet hatten. Sie selbst waren die Kinder des Zeitalters der Autos und Flugzeuge, der Handys und Spielekonsolen, sie trugen Jeans und Sweatshirts.
David erhielt das Gewand eines Herbergsvaters aus biblischer Zeit, das war aus KartoffelsÀcken zusammengeschneidert und blau wie der blaueste Himmel eingefÀrbt. Das Gewand schlotterte um seine Beine, und mehr als einmal verwickelte er sich darin und fiel zu Boden. Am liebsten wÀre er da liegengeblieben, so elendiglich kam er sich in seiner Rolle als der harte Herbergsvater vor.
âAlles ist ĂŒberfĂŒllt in Bethlehemâ, hatte er zu sagen. âund fĂŒr Leute wie euch gibt es sowieso keinen Platz in meiner Herberge. Macht, dass ihr weiterkommt!â Und damit hatte er die TĂŒr zuzuschlagen und mit einem knarrenden GerĂ€usch den SchlĂŒssel im Schloss zu drehen.
David spielte seine Rolle so schlecht, dass der Lehrer nur den Kopf schĂŒttelte. âDu bist doch sonst unter den Besten. Was ist dir nur ĂŒber die Leber gekrochen? Es gehört doch nicht viel dazu, die zwei SĂ€tze zu sprechen. Maria und Joseph mĂŒssen zehnmal so viel sagen, und sogar die Tiere die LĂ€mmer, die Ziegen, die Hunde und erst recht der Esel sprechen ja in der Heiligen Nacht, und mehr als du!â
David senkte seine Augen, die wie zwei Diamanten funkelten, und gab keine Antwort. Wie hÀtte er sonst dem Lehrer auch erklÀren können, dass dies die allerletzte Rolle sei, die er spielen wolle, es fehlten ihm ganz einfach die Worte dazu.
Und so kam der Abend der AuffĂŒhrung, der Saal war voll von Menschen, sogar aus den Nachbardörfern waren sie gekommen. Vorne saĂen der Pfarrer und der Lehrer, sie sahen sehr wĂŒrdevoll aus, und dann ertönte ein Glöckchen als Klingelzeichen, und das Spiel begann.
David war einer der ersten, die an die Reihe kamen, schon gingen Maria und Joseph mit langsamen Schritten ĂŒber die BĂŒhne, auf deren Kulisse das biblische Bethlehem von Kinderpinseln gemalt war. Auch die Herberge war aufgemalt, aber in die hölzerne Kulisse war eine TĂŒr eingebaut, die man öffnen und schlieĂen konnte.
Hinter dieser geschlossenen TĂŒr stand David und zitterte am ganzen Körper. Schon machte es âpoch, pochâ an der TĂŒr. DrauĂen rief eine Stimme: âLasst uns ein und gebt uns ein Obdach, wenigstens fĂŒr diese eine Nacht. Ich bin der Zimmermann Joseph, und mit mir ist Maria, meine Frau, die ein Kindlein haben soll. Um Gottes Willen, lasst uns ein!â So flehend klang diese Stimme, dass sie hĂ€tte einen Stein erweichen mĂŒssen.
Vielleicht war es der Klang der SĂ€tze, die David vollends verwirrten. FĂŒr ihn war dies plötzlich kein Spiel mehr, sondern er stand in der Mitte eines wunderbaren Geschehens.
Weit riss der die TĂŒr der Herberge auf, streckte seine HĂ€nde aus und rief:
âKommt herein, o kommt herein, wie könnte es fĂŒr euch in meiner Herberge keinen Platz geben!â Sein Gesicht leuchtete, und er hatte plötzlich alle Scheu verloren. Er nahm Joseph seinen hohen Wanderstab und fĂŒgte, halb wie im Traum. hinzu: âIn unserem Dorf sind immer alle TĂŒren offen, Tag und Nacht sind sie offen.â Und damit fĂŒhrte er Maria und Joseph in seine Herberge.
Eine groĂe Stille legte sich ĂŒber den Saal, die Stille der Heiligen Nacht. Und diese Stille hielt mindestens eine Weile an. Erst dann stand der Lehrer von seinem Platz auf, um die Dinge wieder einzurenken, so dass das Spiel seinen Fortgang nehmen konnte. Das war weniger schwierig, als ihr denkt, Maria und Joseph erschienen ganz einfach wieder auf der BĂŒhne, und Joseph sagte etwas stockend den Satz, den ihm der Lehrer rasch zurechtgezimmert hatte:
âDas war ein guter Herbergsvater, aber er konnte uns beim allerbesten Willen nicht helfenâ, und dann ging das Spiel ohne weitere ZwischenfĂ€lle weiter.
David aber stand hinter der BĂŒhne, noch ganz benommen von dem, was ihm geschehen war. Er fĂŒrchtete sich vor keinem Tadel und keiner Strafe, er hatte etwas gutzumachen versucht, das seit Wochen wie ein Felsbrocken auf ihm gelegen hatte. Vielleicht hatte er sogar sehr viel mehr getan und ungezĂ€hlten andern Menschen die TĂŒr zur Heiligen Nacht geöffnet und das Licht von Bethlehem in ihren Herzen angezĂŒndet. In seinem eigenen Herzen jedenfalls brannte das Licht von Bethlehem lichterloh.
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